Bulli T1 und Käfer
Bulli und Porsche

Luft-Boxer

Geschichten und Wissenswertes    

T1-Bulli Meilenwerk

Ein T1-Fensterbus im Meilenwerk Böblingen, im März 2013 aufge- nommen.

EINE KLEINE MODELLGESCHICHTE DES VW BULLI

Nachdem der Niederländer und spätere VW-Generalimporteur Ben Pon senior 1947 auf dem Werksgelände in Wolfsburg die „Plattenwagen“ (selbstgezimmerte Lastentransporter auf Käfer- bzw. Kübel-Chassis mit Fahrerstand hinten über dem Motor) gesehen hatte, entstand in seinen Gedanken schnell die Idee zur serienmäßigen Herstellung eines Lastesels auf Käferbasis. Aufgrund von behördlichen Bedenken wanderte der Fahrerstand nach vorne, und eine kastenförmige Karosserie entstand. Nach Windkanalversuchen stellte sich eine rundliche Nase mit schrägstehenden Scheiben als am vorteilhaftesten heraus. Als zweite Baureihe neben dem Käfer (der bis dahin einfach „Der Volkswagen“ war, jetzt zur Unterscheidung "Typ 1" getauft) entstand so der Typ 2 (mit der Verkaufsbezeichnung "Transporter"), der aber schnell „Bulli“ genannt wurde (offiziell jedoch erst ab 2007). Dies wohl aber nicht, wie oft zu lesen, als Abkürzung und Zusammenführung aus „Bus“ und „Lieferwagen“, sondern wohl aufgrund seiner bulligen Form. Die Markteinführung erfolgte mit dem Modelljahr 1950.

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Ein Plattenwagen im Museum der Volkswagen-Stiftung in Wolfsburg.


Typische Merkmale: Käfer-Fahrgestell, Führerstand hinten, einfache Pritsche vorne. Darauf eine Blechkanne mit Tee für die Werksarbeiter.

Der T1-Bulli

Die erste Version des Typ 2, heute als Transporter 1 (T1) bezeichnet, wurde noch aus vorhandenen Systembauteilen aus dem Volkswagen-Programm zusammengeschustert: Motor und Getriebe vom Käfer (wenn auch durch Porsche modifiziert), Hinterachse mit Vorgelege vom Weltkriegs-Kübelwagen, etc. Allerdings erhielt er ein verstärktes Chassis mit Leiterrahmen, um die Zuladung von 750 kg zu ermöglichen, und - anders als der Käfer - eine selbsttragende Karosserie. Seitlich hatte er eine doppelflügelige Klapptür, erst ab 1963 gab es die Schiebetür als Sonderausstattung.


In seiner ersten Form kam der Typ 2 noch ohne Heckklappe auf den Markt. Die Beladung des aufgrund des hinten untergebrachten Motors unebenen Laderaums erfolgte ausschließlich durch die seitlichen Klapptüren. Zudem war das Motorkompartiment noch riesig und nahm auch das Reserverad auf, so dass dieses Modell aufgrund der scheunentorgroßen Motorklappe heute im englischsprachigen Raum als "Barndoor" bekannt ist.  

Barndoor

Ein "Barndoor" oder "Barnie" von 1950 im Museum der Volkswagen-Stiftung in Wolfsburg. Typische Merkmale: es fehlen Heckklappe (wie auch das Heckfenster) und die hintere Stoßstange. Auffällig die riesige Motorklappe, die nach oben bis zum Schulterwulst verlief.

Wo wir gerade bei den englischen Bezeichnungen sind: aufgrund der geteilten Frontscheibe (übrigens ein Zugeständnis an den Kostendruck: da die Produktion von gewölbten Scheiben ungleich teurer war, entschied man sich zum Einbau geteilter, flacher Scheiben, was nicht nur der Frontscheibe, sondern auch dem befremdlich anmutenden Scheibenmosaik der vorderen Seitentüren sein typisches Aussehen verlieh), wird der T1 üblicherweise als "Split screen" oder "Splittie" bezeichnet.


In seiner schönsten Ausbaustufe, dem "Samba-Bulli", erhielt der T1 nicht nur je eine weitere zusätzliche Seitenscheibe über dem Lufteinlass in der Seitenwand, sondern gewölbte (!) Eckscheiben für die hinteren Dachsäulen, sowie die damals für Reisebusse typischen Dachfensterchen. Damit erhöhte sich die Fensterfläche erheblich, so dass der Innenraum lichtdurchflutet erschien.

Anfangs wurde der Typ 2 neben dem Käfer im Stammwerk Wolfsburg produziert, im Jahr 1956 aber erhielt er eine eigene Produktionsstätte in Hannover-Stöcken (heute Volkswagen Nutzfahrzeuge).


Der T1 kam gerade recht für das Wirtschaftswunder, mit dem er unverbrüchlich verbunden ist, und wurde von 1950 bis 1967 in verschiedenen Ausführungen insgesamt 1,8 Millionen mal hergestellt.

Samba

Ein wunderschöner 1962er Samba-Bulli in klassischer Zweifarblackierung.


Ursprünglich hatte der T1 noch "Winker" in der B-Säule, die Blinker waren zumeist nachgerüstet.


Bei diesem T1b ragt das Dach vorne etwas "grimmig" über die Frontscheibe hinaus: Darunter befindet sich der Lufteinlass für die Innenraumbelüftung - der T1a musste noch ganz ohne auskommen...

Der T2-Bulli

Weil das grundsätzliche Bauprinzip (Kasten-Karosserie, Frontlenker- bauweise, Heckmotor mit Heckantrieb) bei der heute als T2 bezeichneten zweiten Generation des Transporters beibehalten wurde, wurde er seinerzeit zu Unrecht als „Facelift“ gescholten. Tatsächlich handelte es sich um eine echte Weiterentwicklung: bei gleichem Radstand wuchs die Karosserie um  20 cm, die Zuladung auf 1.200 kg, es kam eine nun endlich fahrstabile Schräglenker-Hinterachse anstelle der Pendelachse mit Vorgelege zum Einsatz, es gab ein zweikreisiges Bremssystem mit Scheibenbremsen vorne, später auch eine Y-förmige Versteifung des Rahmens und ein energieabsorbierendes Prallelement hinter der Stoßstange. Die Scheibenfläche wuchs insgesamt erheblich (am deutlichsten an der „Baywindow“-Frontscheibe zu erkennen, die dem T2 in England seinen Namen gab), und es kam ein größerer Motor zum Einsatz.


Ab 1968 konnte der Bulli auch mit dem allgemein als Flachmotor bezeichneten Boxer des Typ 4 (VW 411/412) geordert werden, der in seiner letzten Ausbaustufe aus 2,0 L Hubraum knapp 70 PS schürfte. Wie der T1 wurde auch der T2 stetig weiterentwickelt. Dennoch können drei Entwicklungsstufen unterschieden werden: der T2a von 1967 bis 1971, ein als T2a/b bezeichnetes Zwischenmodell in 1972, und der T2b von 1972 bis 1979. Insgesamt wurde der T2 in einer Stückzahl von ca. 2,5 Millionen Exemplaren gebaut und ist damit bis heute (Stand 2023) das meistgebaute Bulli-Modell.


Am Rande sei noch der als „T2c“ bezeichnete Brasilienbulli genannt, der nach Produktionsende des „T1,5“ genannten Zwittermodells im Jahre 1997 noch bis 2013 in São Bernardo do Campo vom Band lief (zuletzt allerdings mit wassergekühltem 4-Zylinder-Reihenmotor). Ein paar zusätzliche Worte zu den Brasilien-Bullis hier.

Der T2a hatte noch das vom T1 bekannte, rundliche Heck, und er trug auch noch die kleineren Rücklichter der letzten T1-Version. Die Lufteinlässe für die Motorkühlung aber wanderten, halbrund ausgeformt und deshalb gerne als „Ohren“ bezeichnet, aus der seitlichen Bordwand über den hinteren Radläufen in die hintere Dachsäule. Die rundliche, seitlich in Trittstufen auslaufende vordere Stoßstange erinnerte ebenfalls noch an den Vorgänger. Auffälligstes Merkmal aber waren die tief über der Stoßstange sitzenden Frontblinker, aufgrund derer er heute auch „Low lights“ genannt wird. Die Schiebetür war nun serienmäßig.

Bullibunt

Der T2b, die letzte Ausbaustuft des T2-Bullis in Europa, so "kinderbunt", wie er in der Fantasie des Autors seit damals schlummerte...

Siehe auch "Lipstick"

Für den Autor als Kind der späten 60er Jahre stellte der T2b schon seit je her den Inbegriff des Bulli dar. Er unterschied sich vom Vorgänger an verschiedenen Stellen deutlich: durch die hoch und neben die Lüftungsgitter gerutschten Blinker (deshalb "Highlights" im angloamerikanischen Sprachraum), die kastenförmige Stoßstange ("Eisenbahnschiene"), die sich nicht mehr seitlich um die Karosserie bis zum vorderen Radlauf zog (die Trittstufen waren nun schmutzgeschützt nach innen, hinter die Fronttüren gerutscht), die großen Heckleuchten, wie sie auch am LT verbaut wurden, und ein deutlich verändertes, kantigeres Heck mit größeren Lufteinlässen in den D-Säulen - beides notwendig für die Aufnahme des größeren Flachmotors aus dem VW Typ 4 ("Typ-4-Motor"). In der letzten Ausbaustufe (Motorkennbuchstabe CJ) hatte dieser 2,0 L Hubraum und rund 70 PS. Mit diesem Motor, mit Bremskraftverstärker und 3-Punkt-Gurten für Fahrer und Beifahrer hat man auch heute noch ein Auto, mit dem es sich im Straßenverkehr mitschwimmen lässt. Allerdings ist der T2-Bulli weitgehend aus dem Straßenbild in Deutschland verschwunden.


Näheres zum T2b des Autors hier.

Der letzte "echte" Bulli: der T3

Alle Welt erwartete wohl Ende der 70er-Jahre auch von VW einen Lieferwagen mit durchgehendem, niederflurigen Ladeboden und Frontmotor. Schließlich hatte VW mit dem Golf ja auch das Ende des Käfers eingeläutet, und mit Golf, Passat und Polo war man gewissermaßen in der Moderne angekommen. Quer eingebaute Reihenmotoren vorne und Vorderradantrieb stellten das Antriebskonzept der Zukunft dar. Und auch der bereits 1975 vorgestellte LT, ein großer Lieferwagen in Frontlenkerbauweise, war mit einer flachen Ladekante hinter doppelflügligen Klapptüren ausgestattet. Vorne unter den Sitzen arbeitete auch hier ein wassergekühlter Reihenmotor.


Doch VW stellte 1979 zwar einen völlig neuen, aber wieder klassischen Bulli vor: den "Typ 2 Modell '80", in Deutschland allgemein als T3 bezeichnet (in England heißt er üblicherweise T2,5, in den USA ist er unter seiner Verkaufsbezeichnung Vanagon bekannt). Etwas schwerer als der Vorgänger, aber breiter und länger, mit deutlich verbessertem Sicherheitskonzept und Aufsehen erregendem Fahrverhalten, und mit nochmals gewachsener Zuladung. Erstmals gab es auch einen "Synchro" genannten Allrad-Bulli als Serienfahrzeug (basierend auf nie in Serie gegangenen Prototypen auf T2-Basis).


Bis 1982 behielt dieser Bus eine abgewandelte Version des aus dem T2b bekannten luftgekühlten 4-Zylinder-Flachmotor mit 2,0 L Hubraum und rund 70 PS (CU), mit dem er aber eigentlich zu schwach motorisiert war. Mit diesem Motor endete eigentlich die Geschichte des klassischen Bulli. Und diese frühen T3, die "T3-Luftis", sind heute begehrte Sammlerstücke.


Ab 1982 waren alle Benziner wassergekühlt (wenn auch weiterhin Boxermotoren), zudem wurden aber Dieselaggregate angeboten, die schon bald dem durstigeren Boxer zahlenmäßig den Rang abliefen.


Der T3 prägt durchaus noch das Straßenbild in Deutschland, nicht nur in Metropolen wie Berlin. Noch bis vor kurzem allerdings waren viele Fahrzeuge, ab Werk mit unzureichendem Rostschutz ausgestattet, zumeist in recht angefressenem, unrenoviertem Zustand unterwegs, ein Zeichen dafür, dass sie eher noch als preiswerte "Surferbusse", Gebrauchsautos oder Studentenfahrzeuge unterwegs waren. Inzwischen findet man sowohl auf der Straße als auch auf Bullitreffen zunehmend schön renovierte oder komplett neu aufgebaute Schmuckstücke.


Deutlich überwiegen heute die jüngeren (Turbo-)Dieselbullis, und die meisten sind zu Campingmobilen umgebaut, teils von gewerblichen Ausbauern, teils  selbstgezimmert.  Unter den Selbstgebauten finden sich etliche ehemalige "Postbusse" mit steilem Hochdach, aber auch Krankenwagen mit teils abenteuerlicher Kilometerleistung. Es gibt aber auch andere Fälle. So traf der Autor 2015 in Zentralfrankreich ein belgisches Pärchen, beide weit in ihren 80ern, die vor 30 Jahren einen nagelneuen Fensterbus mit 2 Sitzen und Schiebedach gekauft und Stück für Stück  in ein sehr praktisches und wohnliches Campmobil umgebaut haben, mit dem sie noch heute jedes Jahr lange Touren machen.


Machen Sie sich einmal einen Spaß: zählen Sie auf einer längeren Autobahnfahrt im Sommer alle T3-Bullis, denen Sie begegnen - sei es auf der eigenen oder der Gegenfahrbahn. Sollte dabei nicht stündlich ein Bulli herausspringen, dann sind Sie vermutlich selbst mit einem Bulli unterwegs und nicht schnell genug, um all die anderen zu überholen und auf Ihre Zahlen zu kommen.

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Ein T3-Transporter, wie man ihn allerorten noch antreffen kann. Dieser hier typisch von den Mühen der Arbeit gezeichnet...

Als Klassiker harrt er noch der Entdeckung...

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Der T3 des Autors, auf einem Rastplatz irgendwo in Zentralfrankreich.


Hierbei handelt es sich um einen ursprünglich über die Genex in der DDR verkauften 9-Sitzer von 1985 mit 1,9-L-Wasserboxer. Im Lauf seines Lebens erhielt er einen 2,1-L-WBX mit 3-Wege-Kat und 98 PS, und eine graue Multivan-Ausstattung, mit der er zu einem perfekten Reiseauto wurde.

Der Rest, oder was danach kam

Nur der Vollständigkeit halber seien sie erwähnt: der T4, 1990 auf den Markt gebracht und bis 2003 produziert, mit dem die Frontmotor-Frontantriebs-Ära beim Bulli Einzug erhielt, was dem Bulli endlich die konkurrenzfähige flache Ladefläche bescherte, der T5 (2003-2015), sowie das aus Marketinggründen offiziell "T6" getaufte zweite Facelift, eigentlich also ein "T5c", der nach einem weiteren Facelift bis heute (2023) gebaut wird. Mit dem kernigen Namen T6.1 wird er diese Modellreihe wohl beschließen. Der T5/T6 ist sicher ein passables, modernes Auto, und er ist hinsichtlich des Platzangebotes dem T3 wieder ebenbürtig, der bis dahin als Raumwunder unter den Bullis galt. Für einen Kurzhauber ist er sogar recht schön.


Aktuell verkauft Volkswagen Nutzfahrzeuge parallel zum T6.1 den T7, der eine flachere Karosserie und eine etwas längere Haube erhalten hat. Ihn gibt es auch mit einem Hybridantrieb aus Elektromotor und kleinem 1,4-L-Benzinmotor. Zudem wird seit 2022 parallel der ID Buzz angeboten, ein vollelektrischer "Bus" aus der ID-Familie (der Name des Flaggschiffs, ID 3, soll wohl Volkswagens "dritte Idee" nach Käfer und Golf betonen).


Leider wurde das Design dieses Fahrzeugs stark an das Familiendesign der Elektroflotte von VW angepasst, was ihn - ganz im Gegensatz zu einem schon vor Jahren präsentierten Ideenträger - sehr kantig und wuchtig erscheinen lässt. Schade. Er hätte optisch sehr wohl wieder nahe am Ur-Bulli, dem T1, landen können.


 

Aber ein Bulli bleibt ein Bulli eben doch nur als Frontlenker und mit Boxermotor im Heck!


Oder?

Käfer NACH OBEN

Letzte Änderung 23.04.2023

Fun fact: die Heckleuchten von VW LT, 1. Generation und VW T2b (und T1,5) haben exakt dieselben Ausmaße und große Ähnlichkeit mit denen der Mercedes-Benz-Baureihe "T1" (!), auch Bremer Transporter geannt. Tatsächlich hat die Leuchte des MB aber einen Leuchtentopf mehr, und auch die Schraubenlöcher haben nicht ganz denselben Platz. Sie sind also nicht austauschbar...

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Ein ID Buzz auf dem Maikäfertreffen 2023 in Hannover. Wenn man daneben steht, ist es ein riesiges Schiff, breit, wuchtig, dominant. Die Fensterkante liegt so hoch, dass mein 8-jähriger Sohn kaum hineinschauen kann. Wer die frühen Design-Studien kennt, die durch weiche, fließende Formen auffielen und starke Anleihen in der Designsprache des T1 nahmen, der muss enttäuscht sein. Dieses Auto musste wohl aus Marketing-Gründen erstens einem als "modern" empfundenen kantigen Stil mit möglichst planen Flächen entsprechen, zweitens das Familiengesicht der ID-Familie und des VW Caddy aktueller Bauart erhalten.

Dieses Riesending kann übrigens aktuell (5/2023) nur mit 5 Sitzplätzen geordert werden... Ein Bulli...?

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